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Österreichs Außenminister Kurz ließ angeblich Islam-Studie zuspitzen

Österreichs Außenminister will islamische Kindergärten abschaffen. Seine Kritik stützt Sebastian Kurz auf eine Studie. Doch es gibt Hinweise, dass diese zugespitzt wurde - von seinen Mitarbeitern.
Sebastian Kurz

Sebastian Kurz

Foto: LEONHARD FOEGER/ REUTERS

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz beherrscht das Spiel mit den Medien. Der 30-Jährige weiß, wie man für Schlagzeilen sorgt und sein Profil schärft: Als Hunderttausende Menschen vor zwei Jahren Zuflucht in der EU suchten, kritisierte er die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel scharf, rief zur Schließung der Balkanroute auf. Später brüstete er sich damit, als einer der wenigen Politiker die Flüchtenden nicht am Bahnhof in Wien begrüßt zu haben.

Kürzlich sorgte der neue Parteichef der ÖVP mit einem neuen Vorstoß für Aufsehen: In einem Gespräch mit der Zeitung "Kurier"  setzte er sich für eine härtere Gangart beim Thema Integration ein - und forderte die Abschaffung von islamischen Kindergärten in Wien.

Nach Ansicht von Kurz seien diese sprachlich und kulturell abgeschottet, würden aber vom Steuerzahler finanziert. Auf Nachfrage, ob diese deshalb abgeschafft werden müssten, sagte der Außenminister: "Natürlich. Es braucht sie nicht. Es soll keine islamischen Kindergärten geben."

Kurz stützt seine Argumentation auf die Studie eines Religionspädagogen der Universität Wien. Doch es gibt zwei Probleme. Zum einen hat der ÖVP-Politiker diese selbst in Auftrag gegeben, die Republik zahlte dafür 36.000 Euro.

Was aber wesentlich schwerer wiegt: Die Studie wurde nach Recherchen des österreichischen Wochenmagazins "Falter" nachträglich von Mitarbeitern des Außenamtes bearbeitet. Oder anders gesagt: Ergebnisse wurden offenbar zugespitzt, damit sie zur Kritik des Politikers passten und seine Aussagen wissenschaftlich belegen. Die Wochenzeitung titelt deshalb spöttisch "Frisiersalon Kurz" .

903 Änderungen an der Ausgangsversion

Der Redaktion wurden demnach Word-Dokumente zugestellt, die zeigen, wie die Studie anschließend verändert wurde. Autor ist der Religionswissenschaftler Ednan Aslan. Dieser ist laut der Wochenzeitung ein profunder Kenner der muslimischen Szene. Doch die Passagen, die er in einer ersten Version an Kurz und seine Mitarbeiter ablieferte, stimmen nicht mehr mit der Endversion der Studie überein.

Ein Beispiel: In der ersten Version der Studie vom Januar 2016 lobte der Wissenschaftler, dass Eltern ihre Kinder in Islamkindergärten "selbstständig, respektvoll und liebevoll erzogen" wissen wollen. Die Beamten aus dem Ministerium veränderten den Satz, wie der Korrekturmodus des Dokuments angeblich zeigt. Am Ende stand dort demnach folgende Formulierung: Die Eltern wollen ihre Kinder "vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft schützen".

Zweites Beispiel: Muslimische Eltern, so schreibt es der Wissenschaftler in seiner Fassung, suchen in den Islamkindergärten für ihre Kinder "Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit und Transparenz der Regeln." Die Mitarbeiter änderten die Passage in die folgende Version: "Besonders wichtig ist ihnen, dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden".

Die Aussagen klingen wesentlich mehr nach einer starken Ausrichtung auf den Islam und einer Abschottung von der Mehrheitsgesellschaft, als diese vom Autor anfänglich beabsichtigt waren - und sie passen offenbar besser zu den scharfen Aussagen des Außenministers.

Insgesamt nahmen die Beamten 903 Änderungen an dem Dokument vor - darunter waren aber auch zum Teil simple sprachliche Änderungen, Interpunktionen oder Satzstellungen.

Kurz hatte das Thema der Kindergärten erstmals nach den Anschlägen von Paris im Dezember 2015 in die Medien gebracht. Einige würden von "salafistischen Vereinen" betrieben, die Kinder angeblich radikalisierten. Das seien Ergebnisse einer Studie des Wissenschaftlers Aslan. Tatsächlich hatte dieser ein erstes Thesenpapier zusammengestellt und es dem Ministerium überlassen. Seine endgültige Studie gab diese Einschätzung aber offenbar nicht wieder, entsprechend abgeschwächt fielen die Ergebnisse aus.

"Wir sind doch nicht deppert"

Die zuständigen Beamten äußerten sich auf Anfrage der Zeitung nicht. Der Sprecher des Außenministers sagte laut "Falter", Sebastian Kurz habe damit nichts zu tun: "Wir sind doch nicht deppert."

Der Wissenschaftler Aslan wusste zunächst offenbar selbst nichts von den Änderungen - zumindest zeigte er sich von den Recherche-Ergebnissen der "Falter"-Redakteure auf Anfrage überrascht. Er könne sich nicht erklären, warum die Passagen gestrichen worden seien. Er habe mit den Beamten des Ministeriums keine gemeinsamen Änderungen vorgenommen.

Einige Tage später, nachdem Aslan offenbar Kontakt mit dem Ministerium aufgenommen hatte, teilte er mit: Er habe die Änderungen nach "neuerlicher Prüfung der Unterlagen über das Wochenende ohne jeden Zweifel" selbst vorgenommen.

mho